Momentan erreichen viele Hunderte Briefe der RA-Kanzlei Kilian Lenard aus Berlin Privatpersonen, Unternehmen und Verwaltungen. Darin wird angegeben, man handele im Auftrag eines Herrn Martin Ismail, welcher Teil der sog. „Interessengemeinschaft Datenschutz (IG Datenschutz)“ sei, und spreche eine Abmahnung wegen der angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung im Bereich Datenschutz durch die unerlaubte Anwendung von „Google Fonts“ aus.
Weiter heißt es in der Abmahnung des Rechtsanwalts, dass sein Mandant einen Anspruch auf Unterlassung gegen den Adressaten resp. Betreiber der Website habe. Gegen eine Zahlung von 170 Euro bei unverzüglicher Beendigung des Verstoßes würde Herr Martin Ismail die Sache „auf sich beruhen lassen“, so RA Lenard. Zwar stellen sich der Rechtsanwalt auf seiner Website als kompetenter Ansprechpartner für Datenschutz und IT-Recht dar und im Impressum Webseite der „IG Datenschutz“ ist Martin Ismail, Im Dorfe 40, 30453 Hannover als Verantwortlicher genannt, aber wie berechtigt erscheint die massenhafte Forderung?
„Google Fonts“ ist, wie die Bezeichnung „Fonts“ erwarten lässt, ein Verzeichnis zahlreicher Schriftarten, welches Google zur freien Benutzung bereitstellt. Es existiert seit 2010, wurde seither immer wieder aktualisiert oder erweitert. „Google Fonts“ ist deshalb so beliebt und weit verbreitet, weil es von jedem Betreiber einer Website frei verwendt werden darf, ohne dafür Lizenzgebühren zu zahlen. Dabei bietet es die Option, Schriftarten in eine Website einzubinden, ohne diese auf den eigenen Server hochzuladen, wovon bsplw. viele WordPress Webseiten Gebrauch machen. Um die Schriftart extern einzubinden, muss sie durch die Webseite des Nutzers über einen Google-Server interaktiv nachgeladen werden, was zur Folge hat, dass von der eigenen Webseite Daten an Google übertragen werden.
Ob und inwieweit hier tatsächlich persönlichkeitsrelevante Daten eines Herrn Martin Ismail weitergegeben werden / wurden ist für den beauftragten Rechtsanwalt zweitrangig, da sich 1.) die IG Datenschutz der Verteidigung und Durchsetzung des Datenschutzes auf zivilrechtlichem Wege verschrieben habe und 2.) die Verwendung von „Google Fonts“ eine nach der DSVOG unzulässige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Herrn Martin Ismail in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts darstelle.
Richtig ist, dass die DSVGO Datenschutzbehörden dazu anhält, Verstöße mit Bußgeldern zu ahnden, weshalb IT-Verantwortliche bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf eine datenschutzkonforme Vorgehensweise achten müssen, wozu insbesondere die rechtssichere Datenschutzerklärung auf der Website selbst inklusive eines Hinweises auf den Einsatz von Cookies und vergleichbaren Technologien gehören. Gleichwohl drängt sich angesichts der Versendung unzähliger solcher Schreiben der Verdacht auf ein rechtsmissbräuchliches Handeln auf, der sich verstärkt, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die Schreiben auch solchen Webseitenbetreiber zugehen, die auf ihren Internetseiten ausreichend rechtssicher formulierte Dateschutzhinweise vorhalten.
Obwohl natürlich in der Rechtsprechung zur DSGVO vieles sozusagen „im Fluss“ ist, muss man bereits den Unterlassungsanspruch gegen die abgemahnten Webseitenbetreiber kritisch sehen, denn sollte sich tatsächlich späterhin ein genereller Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO ergeben, bleibt fraglich, inwiefern die Verarbeitung der IP-Adresse im Fall Ismail / Lenard einen solchen Anspruch begründen soll, wenn ein konkreter Schaden nicht nachgewiesen wird. Zur Abwendung des Anspruchs 170 Euro zu verlangen könnte deshalb, auch aufgrund der erheblichen Anzahl gleichlautender Abmahnungsschreiben, möglicherweise rechtsmissbräuchlich sein, weshalb die Einschaltung eines Fachanwalts für IT-Recht sinnvoll erscheint. Im Nachrichtenmagazin FOCUS rät beispielsweise ein solcher dazu, nicht auf die Forderung einzugehen und stattdessen Anzeige zu erststatten.